Goldhamster_111366Heute war nicht mein Tag!

 

Immer wieder höre ich Menschen dieses vernichtende Urteil über 24 Stunden Lebenszeit sprechen.

Was muss passiert sein, um auf das Ergebnis zu kommen, dass sich das Leben heute nicht gelohnt hat?
Wie kann ich einem Tag seine Magie absprechen?

Eigentlich ist es ganz einfach. Es reicht, wenn der Tag, die eigenen Erwartungen nicht erfüllt hat. Der Mensch definiert dieses Szenario dann als Problem, eben als eine Abweichung von Soll- und Ist-Zustand und verleugnet somit gleichzeitig einen großen Teil seiner Lebenszeit. Ganze Tage werden als vertan angesehen, weil sie z.B. (ungeliebte) Arbeitszeit, aber auch Leerlauf und Langeweile beinhalten oder ganz aktuell, gar zu viel Offline-Aktivitäten erfordern.

Folgende vier Kategorien von Lebenszeit-Verachtern bzw. Teilzeit-Lebendigen habe ich, auch unter entlarvender Selbstbetrachtung, beobachtet:

1. Die Wochenend-Lebendigen
Endlich Freitag! Auch ohne Blick auf den Kalender spüren Menschen dieser Kategorie schon zu Beginn des Tages, dass heute irgendetwas anders ist. Während sich die letzten vier Tage die eigenen Aktivitäten vorwiegend auf Jammern, Beschweren und Lästern beschränkten, kehrt jetzt eine fast schon unerträgliche Lebendigkeit in den Körper zurück. Das Wochenende ruft. Und da Vorfreude die schönste Freude ist, wird bereits der Freitag als Bestandteil der nun folgenden lebenswerten Zeit erachtet. So kommt der Mensch dieser Kategorie auf zumindest 3/7 wertvolle Lebenszeit. Gar kein schlechter Schnitt. Vielleicht rührt daher auch die besondere Kreativität, die für die Planung der zur Verfügung stehenden Stunden aufgebracht wird. Von Ausschlafen bis Zeitung lesen, gerne auch in Kombination, reichen die Ideen. Aber auch Shopping, Auto waschen und selbstverständlich Fußball schauen kommen nicht zu kurz. Abends kann man dann auch mal ein Bierchen mehr trinken, ist ja Wochenende und keiner muss raus. Doch Achtung, schläft man zu lange und wacht erst nachmittags wieder auf, gesellt sich zu dem „Kater“ auch die noch schmerzlichere Erkenntnis, dass in ein paar Stunden schon wieder Montag ist.

2. Die Urlaubs-Auskoster
Die schönsten Wochen des Jahres heißt es ja so passend. Und deshalb kosten diese Menschen ihre bis zu 34 Tage Quality Time im Jahr auch richtig aus. Schon im Reisekatalog lässt sich erahnen, welch paradiesische Zustände frohlocken. Das Kürzel AI veranlasst das Herz der Pauschalurlauber zu wahren Luftsprüngen. Endlich bekommt man, was man verdient. Während man vorher wieder Wochen lang „malocht“ hat, tut es gut, dass jetzt andere unterbezahlte Menschen ihrerseits lächelnd und jeden Wunsch erfüllend für einen da sind. Geschafft. Endlich das Leben mal aus der anderen Perspektive betrachten. Der ewige Diener wird zum Bedienten. Die Enttäuschung ist dann groß, wenn trotz optimaler Bedingungen, die Entspannung nicht wirklich im Alltag nachwirkt. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Egal, wie lange und wohin ich auch reise, meine Unzufriedenheit reist in Gestalt meiner Person immer mit.

3. Die Smartphone-Beseelten
Akku fast leer, W-Lan nicht verfügbar und geringe Datenübertragung. Es gibt wohl kaum Nachrichten, die für Smartphone-Besitzer bedrohlicher sein könnten. Schließlich stellt der (mobile) Internetzugang nicht bloß eine Möglichkeit der Informationsbeschaffung dar, sondern fungiert schon lange als guter, wenn auch seelenloser, Freund für alle Lagen und Fragen des Lebens, guter Empfang vorausgesetzt. Stelle sich doch nur mal einer vor, wie mühsam das Leben ohne digitalen Helfer wäre. Schon morgens bevor ich das Haus verließe, müsste ich mich persönlich mit der herrschenden Wetterlage vertraut machen. Dann doch lieber die Wetter-App. Zur Klasse der Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel gehörend, liefe ich Gefahr von Menschen aus Fleisch und Blut angesprochen zu werden oder noch schlimmer angelächelt zu werden. Ok, zumindest ein MP3-Player könnte da Schadenbegrenzung betreiben und mich zwar nicht total, aber zumindest tonal von der Außenwelt abschneiden. Ich wäre dazu gezwungen, echte Freundschaften zu pflegen. Gefällt mir klicken erscheint mir da doch wesentlich effizienter. Nach einem aufreibenden, weil seelisch anwesenden Tag, müsste ich abends meine/n Partner/in fragen, wie ihr Tag gewesen ist. Ich hätte es sonst wunderbar in Whatsapp nachlesen können, zu einer Zeit die mir passender gewesen wäre. Das Schlimmste: Vielleicht würde ich auch mal ernsthaft darüber nachdenken, mehr zu Hause zu sein. Doch meine Videoanrufe helfen doch prima dabei, dass meine Kinder mich nicht vergessen. Danke Smartphone, dass es Dich gibt. Möge Deine Akkulaufzeit niemals enden.

4. Die Immer-Beschäftigten
Wohl keine Kategorie von Menschen vernichtet so viel Lebenszeit wie die Immer-Beschäftigten. Getrieben von der Überzeugung, ihre Daseinsberechtigung auf der Erde durch kontinuierliches Tätig-Sein beweisen zu müssen, stellt der volle Terminkalender das absolute Statussymbol dar. Egal ob Business oder privat, freie Zeit ist ein Tabu. Zu groß ist die Gefahr, mit sich alleine zu sein und festzustellen, dass das eigene Innenleben nicht viel hergibt. Um die vielen Termine schnell verwalten zu können, gehören diese Menschen i. d. R. auch zu den Smartphone-Beseelten. Sie können durch ihr Bestreben, auch die Wochenenden sowie Urlaubszeiten terminlich zu überfrachten, aber eher nicht den ersten beiden Kategorien zugeordnet werden. Man trifft diese Menschen nicht nur klassischerweise in den „Hamsterrädern“ der Geschäftswelt, sondern u.a. auch als gestresste Über-Eltern an, die ihre ehrgeizige Terminplanung auch auf den Tagesablauf ihrer Kinder anwenden. Früh übt sich, was Lebensfreude zerstört.
Herzlicher Gruß!

Michael Maleschka