Synchronized SwimmingAls ich ein kleiner Junge war, habe ich mich schon sehr für Sport interessiert und fand es immer besonders klasse, mir die Olympischen Sommerspiele im Fernsehen anzuschauen. Leichtathletik, Bogenschießen, Judo, Taekwondo, Fußball, Rudern und sogar Badminton. Alle Sportarten übten eine gleichgroße Faszination auf mich aus. Eine Disziplin allerdings fiel aus dem Rahmen meiner Begeisterung: Synchron-Schwimmen. Was soll das, habe ich mich dann gefragt. Wofür ist das gut?Damals habe ich darauf keine Antwort gefunden, doch viel später tauchte das Synchron-Schwimmen, im wahrsten Sinnes des Wortes, plötzlich wieder auf, als ich mir folgende Frage stellte:

Was steht zwischen uns und der Freiheit, glücklich zu sein?

Meine Erfahrungen bis dahin:

1. Glück scheint wohl ein Maßanzug zu sein und alles was zum eigenem Glück beiträgt, kann nicht „von der Stange“ bezogen werden oder „aufgetragen“ werden. Nach dem Motto: Das stand dem Peter schon so gut, dann wird es auch mir gut stehen. Peter ist Peter. Ich bin ich. Und außerdem kommen einige Dinge einfach aus der Mode.

2. Glück ist klassischerweise nicht beständig. Alles entsteht und alles vergeht wieder. Ja, klar, alles ist im Wandel. Man kann nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen usw. Verstehe ich.

3. Glück ist Definitionssache. Schöne Erfahrungen sind mir herzlich willkommen. Alles andere befördere ich freundlich oder weniger nett zur Tür hinaus, mit dem Hinweis: Wiedersehen nicht gewünscht. Es geht darum, möglichst viele freundliche und nette Gäste ins Haus zu holen. Natürlich grenze ich so einen großen Teil meiner Erfahrungen einfach aus und schreibe diesen keinen Wert zu, aber ich bin nun mal der Hausherr und Verfasser der Hausordnung. Das steht mir zu.
Und dann?

Dann fiel mir wieder das Synchron-Schwimmen ein. Plötzlich war es wieder da. Aber anders. Nicht wie damals. Dieser für mich langweilige Sport brachte mir eine Antwort auf meine Frage. Zwischen uns und der Freiheit glücklich zu sein, steht allein die Erwartung und zugleich auch Annahme, dass Glück das Ergebnis meiner Kontrolle ist. In Wirklichkeit war es so: Je mehr Erfahrungen ich nach gut und schlecht sortierte, desto mehr wurde ich vom Leben hin und her gerissen, vom Zustand der Euphorie hin zur Niedergeschlagenheit.

Ich fragte mich, was würde passieren, wenn eine Synchron-Schwimmerin (Anmerkung: Es ist nur Frauen vorbehalten, diese Sportart olympisch auszuführen), plötzlich anfangen würde, die schwierigeren Bewegungen auszulassen und die einfachen oder auch beliebtesten Figuren einfach länger halten würde, sie nicht loslassen würde?

Sie würde ihrem Sport nicht gerecht, sie würde den Fluss der Bewegung unterbrechen und irgendwann würde es ihr auffallen und sie stören und sie würde sich daran erinnern, warum sie überhaupt mit dem Synchron-Schwimmen angefangen hat, nämlich: Weil sie die Ästhetik, das Zusammenspiel und die Achtsamkeit jeder Bewegung schon immer fasziniert hat.

Also dachte ich, wenn das Schwimmbecken symbolisch für das Leben steht, dann ist jede Bewegung, also jede Erfahrung wichtig, die leichten wie auch die schwereren. Einige bedürfen mehr Übung und diese fließen dann wieder in weniger herausfordernde Figuren über. That´s it! Heureka! Das ist es!

Dass ich einige Erfahrungen anderen vorziehe, liegt an meinen bisherigen Muster, Situationen und Erlebnisse in gut und schlecht zu unterteilen. Das bin ich so gewohnt. Doch das Leben besteht aus Zyklen von der Geburt bis zum Tode. Körperlich und geistig. Darüber hinaus gibt es im Außen u.a. den Konjunkturzyklus und den Wechsel der Jahreszeiten. Wenn die Zeit gekommen ist, dass die Bäume ihre Blätter abwerfen, fangen diese auch nicht an, sie wieder aufzusammeln. Sie wissen intuitiv von dem Gesetz der Natur, sich zu wandeln.

Manchmal wollen wir einfach eine Linie ziehen, anhand derer wir unser Leben ausrichten und unserer Zukunft planen können. Und dann gibt es Abweichungen und wir verstehen diese als Gefahr für unser Konstrukt Leben. Doch: Jede Erfahrung ist unserer besonderen Aufmerksamkeit würdig. Es geht darum, synchron zum Leben zu schwimmen.
So wie auch Erfolg „nur“ ein Meilenstein auf der Reise des persönlichen Wachstums ist, bedeutet eine Niederlage oder Störung auch nur die Möglichkeit, Anlauf zu nehmen, für die nächste Erfahrung.
Wie lernt man synchron (zum Leben) zu schwimmen?

1. So wie Schwimmen auch, im Wasser, d.h. im Leben, jeden Tag.

2. Durch Beobachten. Sogar durch ganz genaues Beobachten, das ist die Schwierigkeit beim Synchron-Schwimmen: den Bewegungen / Erfahrungen folgen mit voller Aufmerksamkeit.

Beobachte alles, was sich in Dir regt, von Kopf bis Fuß. Du erlebst Angst? Beobachte diese und die damit verbundene Körperempfindung. Alles entsteht und alles vergeht. Du spürst Freude? Genieße es, mit dem Wissen, dass auch Freude kommt und geht. Gib keiner Empfindung deinen Vorzug. Lehne kein Gefühl ab oder sehne Dich nicht nach bestimmten Gefühlen. Sobald Du solche Muster, Erfahrungen abzulehnen oder sie nicht loszulassen, beobachtest, sind diese nicht mehr automatisch. Du reagierst nicht mehr einfach darauf. Sie lösen sich auf und es kommt nach und nach ein Geisteszustand zum Vorschein, der voller Liebe, Mitgefühl und Gleichmut ist. Überraschend und doch vertraut.

Dazu eine erste kleine Übung:

Wenn Deine Nase juckt, geht Deine Hand aus Gewohnheit an die entsprechende Körperstelle und kratzt. Mache es mal anders. Gehe nicht mit der Hand an diese Stelle. Beobachte das Jucken einfach nur, ohne Absicht. Es wird verschwinden.

Auch beim Synchron-Schwimmen gilt der olympische Gedanke: Dabei sein ist alles. Du lebst. Du bist dabei. Genieße diese Erfahrung. Schwimme synchron zum Leben.

Herzlicher Gruß!

Michael Maleschka