Eins-Sein SpiritualitätWas wäre, wenn unsere Organe glauben würden von einander getrennt zu sein und beginnen würden zu konkurrieren, zum Beispiel um die Nährstoffe und die Sauerstoffversorgung. Dies hätte nur eine traurige Konsequenz: Wir würden unmittelbar sterben. Doch der Körper verhält sich als Einheit und sichert uns dadurch das Leben. Warum glauben wir, es anders tun zu müssen, zwischenmenschlich und im Umgang mit der Natur?

Jeder Mensch ist ein Individuum, lebt sein Leben, mehr oder weniger verbunden mit den anderen Menschen. Der Gedanke, überhaupt nicht getrennt zu sein von den anderen, übersteigt in den meisten Fällen unser Vorstellungsvermögen . Das ist nicht weiter verwunderlich, denn unser Verstand ist darauf trainiert, uns unser Da-Sein als Einzelwesen glaubhaft zu machen. Und das jeden Tag aufs Neue.

Der populäre Neurowissenschaftler Gerald Hüther lokalisiert das Gefühl des Getrennt-Seins des Menschen im Frontallappen des Gehirns. Der dort ansässige Seretoninrezeptoragonist, vereinfacht gesagt ein Ein- und Ausschalter bestimmter Gehirnaktivitäten sorgt dafür, dass wir uns als getrennte Einzelwesen wahrnehmen. Wird diese Region jedoch gehemmt, erhält unser Verstand eine andere Botschaft: „Wir hören nicht da auf, wo du meinst.“ (Quelle: Hüther 2011 : Was wir sind und war wir sein könnten). Methoden wie u.a. NLP (Neurolinguistisches Programmieren), Meditation und Reiki bewirken eine nachhaltige Hemmung dieser neuronalen Bereiche. Dazu später mehr.

Was ist Getrennt-Sein überhaupt?

Gerald Hüther beschreibt faszinierend das Dilemma des Menschen. Im Gegenteil zum Tier, welches mit Beginn des Lebens bereits optimal an die Erfordernisse des jeweiligen Lebensraums angepasst ist, ist der Mensch mit Eintritt in das Leben ohne die Hilfe der anderen nicht fähig zum Überleben. Ein Kind ist also auf seine Umgebung angewiesen und ihr entsprechend leider auch zunächst ausgeliefert. Es wird sich an die Denk- und Verhaltensmuster der Familie und des Umfelds in dem es aufwächst anpassen und bildet ein entsprechendes Modell der Welt aus, wie es im NLP genannt wird. Es entsteht eine Art „Not-Ich“, dass wichtige Essenzen des Da-Seins ausklammert, u.a. dass wir nicht getrennt sind von anderen Menschen.

Verlust natürlicher Fähigkeiten

Nach und nach verlieren wir natürliche Fähigkeiten, weil sie in dem Bezugssystem, in dem wir aufwachsen, allgemein nicht als bedeutend und wichtig eingestuft werden. Jeder Mensch hat beispielsweise von Geburt an ein absolutes Gehör, d.h. die Fähigkeit, Töne und musikalische Gebilde (Akkorde etc.) exakt in ihrer Tonalität zu bestimmen. Wachse ich nun in einer Umgebung auf, die dem Musizieren wenig Raum gibt, werde ich das absolute Gehör mit der Zeit verlieren. Der Verlust der Fähigkeit, sich verbunden mit allen anderen Menschen und auch Tieren zu erleben ist sicherlich der Höhepunkt der Nebenwirkungen „erfolgreicher“ Sozialisation.

Ein Kind erlebt sich also erst durch Erziehung als Einzelwesen. Wie wahrscheinlich jedes Kind hat sich auch mein Sohn, als er noch jünger als drei Jahre war, mit Vorliebe versteckt, indem er einfach seine Hände vor die Augen gehalten hat. Völlig klar: Sehe ich nichts, dann sehen mich auch die anderen nicht. Ich habe das Spiel auch immer geliebt, da es mir, neben dem Riesenspaß, den wir hatten, immer wieder gezeigt hat, dass das Gefühl der Trennung vom Erleben der anderen eine antrainierte Illusion ist, die sich erst im Laufe des Lebens entwickelt.

Trennung entsteht durch Identifikation

Trennung passiert erst dann, wenn ich mich mit etwas identifiziere. „Ich bin ein Mensch, ich bin Deutscher, ich bin ein Mann.“ sind Beispiele für kollektive Identifikationen, „Ich bin schlauer, ich habe Recht, ich kann das nicht.“ sind Beispiele für individuelle Identifikationen. Die Einschränkung liegt darin, dass ich mich nur in einem Teil, einem Aspekt, einem Auschnitt des Bewusstseins, wahrnehme.

Die indische Lehre der Nicht-Dualität „Advaita Vedanta“ (Vedanta der Nichtzweiheit) führt das Leiden des Menschen auf Identifikation zurück. Das Bewusstsein ist vergleichbar mit einem Ozean, seine Substanz ist das Wasser. Eine Welle ist eine Form des Bewusstseins, ein Aspekt, aber nicht die Ganzheit. Auch wir Menschen, Tiere etc. sind Formen des Bewusstseins, glauben aber getrennt davon zu existieren. Wie kann die Welle da sein ohne das Wasser? Wir haben uns in einen Teilaspekt des Bewusstseins „verliebt“ und lassen diesen nicht mehr los. Dieses „Selbst-Bewusstsein“ verhindert die Ganzheit wahrzunehmen. Dadurch entsteht eine existenzielle Angst, z.B. verletzt zu werden, sich zu blamieren, allein zu sein, nicht richtig zu sein und vor allem zu sterben. Doch die Identifikation mit der Person, mit nur einem Aspekt des Bewusstseins ist nur eine Idee. Nur der Mensch kann sich ein solches Bild von sich selbst machen, hat Selbst-Bewusstsein. Doch ähnlich wie bei Odysseus erliegt er diesem „Ruf der Sirenen“, vergisst seine Ganzheit und wird von seiner Person „verführt“, identifiziert sich mit ihr.

Diese Trennung setzt sich fort, wenn ich z.B. nur Erfahrungen in meinen Leben begrüße, die klassischer Weise „schön“ sind. Wenn ich mich nicht entscheiden kann, weil ich glaube, dass es eine falsche Entscheidung gibt. Wenn ich mein Glück allgemein an Bedingungen festmache. Trennung bedeutet auch, sich an den Ufern des Erreichten festzuklammern statt sich an den „Stromschnellen“ des Lebens zu erfreuen. Der auf Heraklit zurückgeführte Ausspruch „Panta rhei“ bedeutet „Alles fließt“. Das Leben unterliegt dem Wandel. Identifikation mit nur Teilaspekten des Lebens verschließt sich der Frische des Lebens und macht es zu einer ständigen Ware vom Vortag.

Eins-Sein – kreative Lust am Gestalten des Lebens

Eins-Sein ist verbunden mit einer Haltung der Offenheit und uneingeschränkter Neugier, zusammengefasst: einer kreativen Lust am Gestalten des eigenen Lebens. Darüber hinaus entwickelt ein nicht-getrennter Mensch auch eine intensive Beziehungsfähigkeit zu anderen Menschen und Lebewesen, lernt durch die Nicht-Identifikation mit der eigenen Person, auch andere in ihrer Tiefe wahrzunehmen und zu akzeptieren. Getriebene, sich getrennt fühlende Menschen verhalten sich stattdessen anders, sie verlieren das Mitgefühl füreinander oder fangen gar an, sich zu bekämpfen.

Das aufsehenerregende Samariter-Experiment durchgeführt im Jahre 1970 von John Darley und Daniel Batson verdeutlichte, dass allein empfundener Zeitdruck reicht, dass Menschen unabhängig von ihrer Persönlichkeit, weniger Hilfestellung geben, als wenn sie sich nicht unter Druck fühlen. Im Gegensatz zu den 63% der beobachteten Studenten die helfend eingriffen, waren es von der Kontrollgruppe gerade nur noch 10% Studenten, die einem offensichtlich verletzten Menschen auf dem Weg zu einem Vortrag halfen. Der einzige Unterschied war die Bemerkung Ihres Professors, bevor sie zu dem anderen Gebäude geschickt wurden. Der ersten Gruppe wurde gesagt, sie könne sich Zeit lassen, da sie noch nicht erwartet würden. Die Kontrollgruppe wurde unterwiesen, sich zu beeilen, da man schon auf sie warte im Nebengebäude.

Synchron zum Leben schwimmen

Eins-Sein bedeutet auch, alle Erfahrungen für sich zu nutzen, so zu sagen, synchron zum Leben zu schwimmen. Es gibt immer Dinge und Ereignisse, die mir

vielleicht nicht gefallen. Dann kann ich mich damit aufhalten und darüber sinnieren, ob ich das mag, was gerade passiert. Doch dann bin ich im Widerstand zum Leben. Oder ich sage stattdessen: „ Ich akzeptiere das, ich vertraue dem Leben, ich bin dankbar.“ Auf diese Weise kann ich dem Leben fortwährende Aufmerksamkeit und Achtsamkeit schenken und verweigere mich nicht einem Großteil meiner Erfahrungen, nur weil sie meinen Erwartungen und Vorstellungen nicht entsprechen.

Sei stattdessen wie ein Baum im Herbst, wirf alle Deine Blätter, also alle Deine Ideen, Konzepte und Überzeugungen ab und schaue, wer du ohne Deine „Blätter“ bist. Dann erlebst Du, wer Du wirklich bist. Stell Dir einen Baum vor, der sich mit seinen Blättern identifizieren würde, der den Wandel der Jahreszeiten nicht akzeptieren könnte und versuchen würde, seine Blätter immer wieder aufzusammeln und festzuhalten. Dieser Baum würde dem Leben und seiner Natur nicht gerecht.

Nicht umsonst gibt es Tag und Nacht. Es wird dunkel, dass wir wissen, dass dies ein einmaliger Tag war. Und es wird hell, dass wir wahrnehmen und spüren, dass ein einmaliger Tag begonnen hat. Wenn ich morgens aufwache und glaube, dass „Alltag“ ist, lebe ich nur aus meinen Erinnerungen heraus und wiederhole immer und immer wieder das, was ich kenne. Nur Offenheit ist frei von Vorstellungen und ähnelt der Faszination, wie Kinder die Welt erleben. Offenheit, geistige sowie emotionale, bedeutet, präsent zu sein, gegenwärtig zu sein. Gegenwart = present (engl.) ist ein Geschenk.

 

Angewandte Spiritualität – NLP, Reiki und Meditation praktizieren

Eins-Sein hat keinen Wert, wenn es nur bei der Vorstellung, einem spirituellen Gedanken, bleibt. Ich mag es in diesem Zusammenhang von angewandter Spiritualität zu sprechen, was das enge Zusammenspiel von Kopf, Herz und Händen meint. Und nichts anderes bedeutet, als: Eine Idee hat nur Wert, wenn sie dem Leben praktisch dient und auch Vorschläge und Einladungen gemacht werden, wie die Idee umsetzbar ist. NLP (Neurolinguistisches Programmieren), Reiki und Meditation bieten methodische Unterstützung bei der Entdeckung der wahren Natur. Das Gefühl des Eins-Sein ist inhärent, keine Konstruktion, sondern, im Gegenteil, natürlich und uns von Beginn an gegeben. Es geht nur darum, es wieder zu entdecken.

Während NLP neurologische Formate anbietet, die dazu dienen, sich selbst in der Ganzheit wahrzunehmen, findet der Zugang im Reiki über die energetische Arbeit statt. Reiki bedeutet Universelle Energie und bringt den Anwender wieder zurück dahin, Lebensenergie („Ki“ bzw. das chinesische Wort „Chi“ vertraut aus den Begriffen „Tai Chi“ sowie „“Chi Gong“) die jedem Menschen frei zugänglich ist, fließen zu lassen und den eigenen Wesenskern jenseits eines „Not-Ichs“ wahrzunehmen.

Meditation bringt den Verstand dazu, sich selber zu beobachten. Durch Sitzen in Stille (Zazen = Sitzmeditation) oder Fragen wie“ Wer bin ich?“ oder „Wer schaut?“ fängt der Verstand an, sein Reflektionsvermögen auf sich selbst zu richten und beginnt durch intensives Üben, einen Platz einzunehmen, der unserem Leben dienlich ist, es aber nicht mehr weiter bestimmt. Dadurch verlieren wir nicht unsere intellektuellen Fähigkeiten, sondern, ganz im Gegenteil: wir lernen zu unterscheiden zwischen dem was uns antrainiert ist und was wir wirklich sind. Durch Meditation entsteht eine Stille im Bewusstsein, die Geist und Herz öffnet und offenbart, dass es Nichts gibt, was wir schützen oder zurück halten müssen. Wir sind richtig. Jetzt. Bedingungslos. Die Praxis der Meditation sorgt dafür, dass die allgemeine Ich-Begrenzung nach und nach durch ein Verbundenheitsgefühl aufgelöst wird, eine Entwicklung hin zum „Inter-Sein“ wie es der vietnamesische Zen-Meister Thich Nath Hanh beschreibt. Meditation bedeutet nicht weniger, als es zuzulassen, ganz da zu sein und sich selber genug zu sein.

Wenn Du nicht helfen kannst, dann schade auch nicht.

Eins-Sein ist keine theoretische Lehre, es beruht auf Erfahrung und lässt sich auch mit kleinen Übungen umsetzen. Wenn ein Mensch in mir starke Antipathien hervorruft und ich es (noch) nicht schaffe, seine wahre Natur zu erkennen. Dann kann ich in einem ersten Schritt darauf achten, dieser Person zumindest nicht durch Verachtung oder Nachrede etc. zu schaden. Das ist angewandte Spiritualität.

Herzlicher Gruß!

Michael Maleschka