Akzeptanz lernenAkzeptieren bedeutet Hinnehmen, passiv sein, Resignation. Es verhindert Veränderung.
Das ist eine Sichtweise.

Carl Rogers hat eine andere Perspektive und stellt fest: „Es ist ein kurioses Paradoxon, dass ich mich, wenn ich mich so akzeptiere, wie ich bin, verändern kann.“

Wie kann das sein?

Ein Beispiel

Mein Partner trennt sich von mir. Ich bin traurig, vielleicht auch wütend auf mich oder mein Gegenüber. Definitiv bin ich verletzt. Es tut weh. Ich spüre meinen wunden Punkt. Wie ein Pfeil steckt der Schmerz in meinem Körper. Das ist das, was ist.

Doch ich will diesen Schmerz nicht und akzeptieren schon gar nicht. Stattdessen denke ich mir eine Geschichte aus, um dem eigentlichen Gefühl auszuweichen. Die Erzählung handelt von Schuld, die ich mir selbst oder dem anderen gebe. Die Motivation dahinter ist schlicht wie auch vergebens. Das was ist, soll anders sein. Vielleicht schließt sich dann die Geschichte von Rache oder Selbstentwertung an. „Ich bin nicht für Beziehungen gemacht“ lautet eine gängige zusammenfassende Erkenntnis. Und ich glaube, das was ich denke und handle danach. Ich akzeptiere die Geschichten, aber nicht das Gefühl dahinter, den Schmerz. Und so laufe ich herum mit einem Pfeil im Herzen und suche nach Erklärungen und den Schuldigen, ohne meine Wunde ausreichend versorgt zu haben. Ich bin viel zu geschwächt, um wach, liebevoll und gegenwärtig zu agieren. Das ist Verdrängung und Kompensation.

Egal, ob Du verlassen wurdest, im Stau stehst, Dich an einer lange Warteschlange einreihst oder Du Deinen Job verlierst. Immer wenn Deine Erwartungen sich nicht erfüllen, nutze die Gelegenheit, genau dann für Deine Gefühle da zu sein.

Der wunde Punkt

Akzeptanz ist ein Haltung, die häufig völlig missverstanden wird. Für Carl Rogers bedeutet Akzeptanz, dem eigenen Gefühl wach und gegenwärtig zu begegnen. Sich Zeit nehmen für das, was Aufmerksamkeit braucht. Den wunden Punkt finden und dort verweilen.

Dichter Rumi schreibt: „Wende Dich nicht ab. Halte Deinen Blick auf die bandagierte Stelle.“

Diese Art der Beobachtung und wertschätzenden Zuwendung ist entlarvend. Sie lässt uns erkennen, wie aus unseren Gedanken nach und nach Geschichten erwachsen, die uns davon abhalten möchten, unseren Gefühlen Beachtung zu schenken. Ob Angst, Traurigkeit oder Scham, heiße sie willkommen. Egal welches Gefühl sich zeigt, es will wahrgenommen werden.

Verabredung mit Dir selbst

Stelle Dir folgende Frage:
Was braucht jetzt gerade meine Aufmerksamkeit und Akzeptanz?

Verabrede Dich mit Dir selbst. Finde das Gefühl, nehme Dir Zeit es zu erkunden und akzeptiere es.

So kann wieder Mitgefühl erwachsen, für Dich und andere. Dein Handeln wird dann wieder durch Güte und Klarheit bestimmt und erfolgt ohne Bitterkeit und Selbstmitleid. Dann hast Du die Möglichkeit, Dich wirklich zu verändern, weg von der (unerreichbaren) Vollkommenheit hin zur heilsamen Ganzheit.